Ein Mann erinnert sich

Ich weiß noch, wie sie sagte, das passiere doch jedem einmal und wie verlegen wir dann waren.

***

Ich weiß noch genau, wie mich dein Blick streifte, oberflächlich, vielleicht gleichgültig, und dann ein Funkeln in deine Augen kam, wie du mir mit einer leichten Drehung deinen Körper zuwandtest. Die Spur eines Lächelns kräuselte deine Lippen, rot, voll, eine reife Frucht und mein Begehren wollte dich augenblicklich pflücken. "Und", sagtest du ziemlich leise, "warum tust du's nicht?"

***

Ich werde nie die Palmen vergessen, den warmen Sand und die Gischt - und die nackte Frau, die aus dem Meer stieg wie Aphrodite und auf mich zukam und niemanden anderen als mich begehrte. Es war, als sei ein Traum, den ich immer gehabt hatte, ohne es wirklich zu wissen, in Erfüllung gegangen.

***

Ich erinnere mich noch an die Demonstration in Belem. Links der Straße standen die Agitatoren, brüllten ihre Parolen ins Megaphon und die Frauen tanzten Samba dazu. Rechts hatte sich die Polizei aufgereiht, mit Helm, Schild und Schlagstock. Als ich sie passierte, traf mich ihr stechender Blick. Ihre Uniformbluse war so weit aufgeknöpft, dass man den Ansatz gewaltiger Brüste sah. Sie ließ das Feuer in ihren Augen tanzen und schlug dabei mit dem Knüppel gegen ihren Oberschenkel. Wären nur sie und ich da gewesen, ich wäre geblieben.

***

Ich weiß noch, wie ich an ihrem Tisch saß und kleine Sandwiches aß, die sie bereitet hatte. Monatelang hatten wir uns erst anonym, später offen unsere intimsten Fantasien gemailt. Und nun trafen wir uns zum erstenmal und saßen bürgerlich brav wie zum 5-Uhr-Tee und ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Sie sah mir irgendwann ruhig in die Augen und sagte: "Ich würde gerne erst mit dir in die Sauna gehen, danach etwas essen und dann sollten wir uns mit unseren geheimen Wünschen befassen." Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

***

Ich weiß noch, dass er mich in seinem Sportwagen von Neapel nach Florenz mitnahm. Er war Professor für Literatur, erklärte mir die Gegend, deklamierte Gedichte in akzentuiertem Hoch-Italienisch und hatte seine weiche Hand die ganze Fahrt über auf meinem Oberschenkel. Jedes Ding hat seinen Preis, dachte ich, und solange es nicht mehr wird... In Florenz fragte er mich, ob ich mit zu ihm kommen wolle. Ich sagte "Nein". Er blickte mich traurig an, griff hinter sich, reichte mir eine Flasche Rotwein und erwiderte "Schade". Es war spät nachts, ich ging hinter die Tankstelle, suchte mir einen Ort zum Schlafen, öffnete die Flasche, trank und dachte "Warum eigentlich nicht?"

***

Ich weiß noch, wie verwirrt ich war, als sich die erste Frau, die ich auf einen Online-Flirt hin traf, als Transsexuelle entpuppte. Sie war wunderschön, eine fast perfekte Täuschung, aber das war einfach zuviel.

***

Ich weiß noch, wie ich nach den Ferien meinem Freund von dieser fantastischen Frau erzählte, die ich auf Sylt erobert hatte. Und wie er nachfragte und schließlich immer stiller wurde und am Ende ein Foto herauszog, das er gemacht hatte, und sagte: "Ist sie es?" Die Enttäuschung darüber, dass sie nicht nur mich, sondern auch ihn im Sand geliebt hatte, werde ich nie vergessen können.

***

Ich weiß noch, dass sie vor mir tanzte und ihr Becken gegen mich wirbelte, ihre Arme um mich legte und irgend etwas Betörendes sagte, das ich vergessen habe. Aber an die augenblickliche Schwellung in meinen Jeans erinnere ich mich genau, und dass sie mich hinter sich her zog in ein dunkles Zimmer in dieser WG, wo wir uns gegenseitig ein paar Kleidungsstücke vom Leib fetzten und dann lagen wir ineinander verschlungen und meine Füße stießen gegen etwas und über uns brach ein Bücherregal zusammen.

***

Er erinnerte sich genau an die brennende Scham, die er empfunden hatte, als sie ihn damals fragte: "Ist es das erste Mal bei dir?"
Und als das Blut in seinen Schläfen hämmerte, fasste sie ihn mit beiden Händen am Kopf und zog ihn zu sich, rieb ihre Nase an seiner, er spürte ihre Brüste und hörte sie flüstern:
"Ist das schön..."

***

Eine Frau erinnert sich

Ich weiß noch, wie er mir auf einmal mit einer dünnen Schnur die Daumen aneinander fesselte - einfach so. Ich war komplett angezogen, wir saßen plaudernd auf der Couch. Jetzt waren meine Hände verbunden, ich fühlte mich ausgeliefert, verunsichert - und spürte, wie es mich erregte.

***

Ich weiß noch genau, wie ich, nicht mehr ganz nüchtern, aus dem "Da Capo" stürzte und nach einem Taxi winkte. Heinrich und ich hatten uns gestritten, dass die Fetzen flogen. Das war nichts besonderes. Als außergewöhnlich konnte man nur den Zeitpunkt ansehen. Es war der 31. Dezember, eine Viertelstunde vor Mitternacht.
Ich stieg ins Taxi, knallte wütend die Türe zu und sah im Außenspiegel, wie Heinrich, der meinen Mantel über dem Arm trug, hinter uns her lief und immer kleiner und kleiner wurde. "Den sind wir los!" grinste ich und musterte den Fahrer von der Seite.
"Was ich Sie fragen wollte: Was machen Sie heute nach Dienstschluss?"

***

Ich weiß noch, wie beklemmend ich es zu jener Zeit fand, wenn sie (ja, nicht nur einer!) mir irgend etwas Langweiliges von Mao und Marx erzählten. Wie dann irgendwann ein Arm um mich herum kam, eine Hand sich von hinten unter der Achsel durch wühlte und nach meiner Brust tastete. Noch jetzt schaudert es mich, wenn ich daran denke! Heute weiß ich: Nicht ICH hatte das "falsche Bewusstsein", sondern SIE!

***

Ich weiß noch, wie anstrengend es war, Königin zu sein. Gisberg und Judith mussten eineinhalb Stunden lang alle meine Wünsche erfüllen. Der Schmerz darüber, dass ich wieder einmal übrig geblieben war, weil es nicht aufging, war schnell verflogen, als Gisberg mir eine Geschichte vorlas und Judith meine Hände massierte, und ich mir von Gisberg wünschte, dass er mir einen Liebesbrief schreib, während Judith mir vorsang. Immer wieder musste ich mir einen neuen Wunsch ausdenken. Im Laufe des Abends, als die anderen beiden König oder Königin spielten, knisterte es immer mehr zwischen uns dreien.

***

Ich weiß noch, wie ich das erste Mal eine andere Frau geküßt habe. Ihre weichen, vollen Lippen auf meinen. Das Verlangen, das mich überkam. Sie roch unbeschreiblich gut. Ich war schon lange in sie verliebt. Später habe ich versucht, ihr Parfum wiederzufinden.

***

Ich weiß noch, wie begeistert er war, als ich mit meinen Küssen seinen Schwanz erreichte. "Das würde meine Frau niemals tun!", flüsterte er. Danach stand er abrupt auf und sagte: "Ich wasch' mir mal meinen Scheiß!" Wie so oft in jungen Jahren fühlte ich mich wie im falschen Film.

***

Ich weiß noch, dass ich ihn einfach angesprochen und ihm meine Visitenkarte gegeben hatte. Als wir uns per Mail verabredeten, war ich so aufgeregt, dass ich zwei Nächte nicht schlafen konnte, meist saß ich am Fenster und rauchte. Unten lag mein Mann im Bett und wusste von nichts.

***

Ich weiß noch, was ich fühlte, als er zum ersten Mal meinen Rücken berührte. Einen Augenblick vorher hatte ich noch gedacht, schade, wieder ein Mann, der mich möchte, und für den ich nichts fühle. Doch es war, als hätte er einen verborgenen Mechanismus berührt und eine Geheimfach meiner Seele geöffnet. Ein Schauer durchrieselte mich und eine warme Woge durchflutete mein Herz, als sei die Liebe vom Himmel gefallen. Célestin fragte: Fühle ich das richtig?

***

Ich weiß noch, wie er nicht verstand, dass ich einerseits gerade mit ihm geschlafen haben und andererseits den Griff an meinen Busen als zu intim empfinden konnte. Ich erinnere mich an seinen entgeisterten Blick und mein Bedürfnis, mich auf der Stelle wieder anzuziehen.

***

Ich weiß noch, wie ich nachmittags zu ihm ins Hotelzimmer schlüpfte, während nebenan meine Eltern ruhten. Wie er meinen braungebrannten Körper entkleidete und ich darauf bestand, mein Höschen anzubehalten. Am dritten Tag erzählte er mir, er habe von diesem kleinen weißen Dreieck geträumt wie von einer winzigen Wolke, die ihm den Himmel versperre. Wie mich seine Worte beschämten und gleichzeitig stolz machten - ich hatte ihn leiden lassen ... mutwillig und ohne Grund. Danach ließ ich seine warmen Hände tun, wofür sie geschaffen waren.

***

Ich weiß noch, wie er mit einem einzigen Griff unter sein Bett die Peitsche fand.

***