Seitensprung, Fremdgehen, Lügen – warum?

Angelika Wende, deren nachdenkenswerte Texte ich sehr schätze, fragt in ihrem Blogpost „One Lie and a Mess of Desctruction“

„Warum betrügen Menschen ihre Partner, obwohl es in einer Katastrophe enden kann?“

Ihre Antwort:

„Weil sie gierig sind, weil sie nicht genug bekommen, weil sie etwas, was sie haben wollen in der Beziehung nicht bekommen, weil sie es als Aufwertung ihres Egos brauchen, weil sie glauben, dass es ihnen zusteht, weil sie feige sind und dem anderen nicht die Wahrheit sagen über ihre unerfüllten Bedürfnisse oder weil sie einfach unmoralische Figuren sind, denen es nur um die Befriedung ihrer Triebe geht.
Mentaler Betrug und sexuelle Aktivität außerhalb der Beziehung erfordert die bewusste Täuschung des Anderen, sie erfordert Schamlosigkeit und Kaltblütigkeit. Lügen und Betrügen entwürdigt den Partner, während der Betrüger sein Selbstwertgefühl aufpoliert.
Wird das Lügengeflecht durchbrochen findet der Lügner rationale Erklärungen für sein unmoralisches Verhalten oder er schiebt dem Partner die Schuld für seine Unmoral in die Schuhe. Er habe ihn nicht genug geliebt. Die Wahrheit aber ist: Der Betrüger liebt sich selbst nicht genug.“

Angelika setzt sich mit dem Zerstörungspotenzial von Lügen auch künstlerisch auseinander, doch darum soll es hier nicht gehen. Mich irritiert an diesem Text die sehr einseitige, eher schmalspurige Analyse eines komplexen Beziehungsgeschehens. Von einer Psychotherapeutin hätte ich anderes erwartet, z.B. die Einsicht, dass immer zwei daran beteiligt sind, wie die Dinge in einer Beziehung laufen. Statt dessen auch hier klare Kante: der Lügner ist immer der Böse, der dem Partner auch noch die Schuld zuschiebt.

Die Eingangsfrage nach dem „Warum“ des „Betrügens“ lässt sich auch anders beantworten, bzw. um andere Deutungen und Gründe ergänzen:

  • Weil sie etwas, was sie ERLEBEN wollen in der Beziehung nicht bekommen,
  • weil sie sich bei einer anderen Person nicht von Erwartungen und „ich kenn dich doch in und auswendig“ beschränkt fühlen,
  • weil sich z.B. auf Reisen einfach mal eine Gelegenheit ergab,
  • weil sie mal wieder Leidenschaft spüren wollen,
  • weilsie sich auf einmal wieder begehrt fühlen, während in der Partnerschaft gar nichts mehr läuft…
  • und und und…
  • Und überhaupt: ab wann ist denn das Reden angesagt? Wenn z.B. Sex schon stattgefunden hat, gilt das allgemein als bös fremd gegangen… Was aber wird aus der Beziehung UND der potenziellen Affäre, wenn man schon vorab sagt: Du, ich hab mich da in jemanden verguckt – und beim nächsten Date wird es, wenns nach mir geht, nicht beim Reden bleiben?

Gelogen wird aus Angst

Die Lüge gegenüber dem Partner, das Verschweigen und Verheimlichen ist auf keinen Fall schön, dem stimme ich voll zu. Allerdings ist „Gier“ und „Narzismus“ ganz gewiss nicht der Hauptgrund, warum Menschen sich so verhalten. Sondern eher die Angst, mit Ehrlichkeit ein Mega-Drama herauf zu beschwören, den Partner extrem zu verletzen oder im schlimmsten Fall gar zu verlieren.

Da in aller Regel der „Seitensprung“ bzw. der in Betracht kommende Gelgenheitspartner bei weitem nicht die Bedeutung eines Lebensgefährten bzw. eine Lebensgefährtin hat, ist die Frage nahe liegend, ob man wegen eines erotischen Abenteuers wirklich das ganz große Fass aufmachen und einen Beziehungs-GAU riskieren will. Womit dann auch der Genuss der von jeglicher Vergangenheit und allen Ansprüchen freien „Affäre“ vorbei wäre.

Eine/r für immer und alles?

Nochmal Angelika:

„weil sie feige sind und dem anderen nicht die Wahrheit sagen über ihre unerfüllten Bedürfnisse oder weil sie einfach unmoralische Figuren sind, denen es nur um die Befriedung ihrer Triebe geht.“

Auf dieses hohe moralische Ross kann man sich natürlich setzen und wird dafür auch Applaus bekommen. Die unangenehme Wahrheit ist aber: Menschen sind für lebenslange Monogamie nicht wirklich geschaffen, so sehr man sich das auch wünschen mag. In aller Regel erlahmt nach ein paar Jahren die sexuelle Lust auf den mittlerweile sehr vertrauten Partner, nicht aber das Interesse an Sex schlechthin. Das gilt umso mehr, je jünger die Partner sind, doch kann es auch ältere Semester noch erwischen, die etwa in einer auf „lebenslang“ angelegten Ehe in eine Krise geraten, nachdem die Kinder aus dem Haus sind und man sich fragt: Wer bin ich, abgesehen von der Familie?

Mit dem Partner „über unerfüllte Bedürfnisse sprechen“, ist nur in einer Beziehung möglich, die es auch verkraftet, wenn es eben NICHT in der Macht des Gegenübers liegt, mit ein bisschen anderem Verhalten und neuen Aktivitäten diese Bedürfnisse zu erfüllen. Es ist eben nicht getan damit, „an der Erotik zu arbeiten“, sich in Dessous zu werfen und andere Sex-Praktiken auszuprobieren, obwohl das für viele sicher eine Zeit lang gut läuft. Dennoch bleibt der Gefährte letztlich doch immer der „lang bekannte und vertraute“ Partner, daran ändern all diese Methoden zur Auffrischung des Sexlebens nichts.

Michèle Binswanger schreibt in Ihrem Manifest „Die große Lüge“:

„Ist es vielleicht gar nicht die Untreue, die Ehen kaputt macht, sondern die unrealistische Erwartung, dass Sex nur innerhalb der Ehe stattfinden soll? Warum pathologisieren wir Fremdgeher und stigmatisieren sie moralisch, wenn sie doch eigentlich der Normalfall sind? Warum halten wir es für normaler, von einer monogamen Kurzzeitbeziehung zur nächsten zu eilen, als außereheliche sexuelle Kontakte in Kauf zu nehmen? Warum halten wir dieses als serielle Monogamie bekannte Muster für tauglicher, als uns vom Dogma der Monogamie zu verabschieden? Ist es vielleicht gar nicht der Partner, der uns betrügt, sondern die Liebe selbst? Zerstört uns also nicht die Untreue, sondern die Treue?“

Berechtigte Fragen, wenn man bedenkt, dass Umfragen immer wieder ergeben, dass Seitensprünge und Affären keine seltenen Ausnahmen sind, sondern eher ein sehr verbreitetes Verhalten, bei Männern wie bei Frauen. Warum also nicht einfach den „Drama-Faktor“ dieser Geschehnisse herunter fahren? Es gäbe doch deutlich weniger Konfliktpotenzial, wenn sich die Liebenden immer dessen bewusst wären, dass sie kein ewiges Monopol auf die Sexualität des Partners haben – und auch nicht als Bedingung fürs Zusammensein einfordern.

Mehr Gelassenheit…

Dafür muss man nicht gleich eine „offene Beziehung“ vereinbaren, die womöglich einen gewissen Stress erzeugt, tatsächlich ab und zu Sex mit Anderen zu haben, um den Namen zu verdienen. Ein wenig Weisheit in Bezug auf die menschliche Natur würde reichen, sowie echte Liebe zum Partner, die auch Bestand hat, wenn er sich punktuell mal Anderen zuwendet. Klar, über Eifersucht sind wir alle nicht erhaben, doch wie man mit dem Schmerz der Ego-Verletzung und der Verlustangst umgeht, macht einen großen Unterschied. Mit größtmöglichem Drama im Fall des Falles wird man den Geliebten jedenfalls eher vertreiben als halten, bzw. zumindest zum Verheimlichen motivieren.

Eifersucht ist im übrigen auch kein hoch moralisches Gefühl, sondern eher eine vergleichbare archaische Getriebenheit wie der Sexualtrieb, der durch einen Fremden bzw. eine Fremde aktualisiert wird. Ihre Intensität ist abhängig vom Selbstwertgefühl bzw. dessen Abhängigkeit oder Unabhängigkeit vom Monopol auf den Partner. Dass wir den Geliebten bzw. die Geliebte halten wollen, finde ich selbstverständlich und normal – nicht aber, alles Gemeinsame in Frage zu stellen wegen eines meist ziemlich unbedeutenden „Seitensprungs“.

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Siehe auch:

15 Gedanken zu „Seitensprung, Fremdgehen, Lügen – warum?“

  1. Monogamie oder nicht wird wohl immer eine brennende Frage der Menschheit bleiben.
    Es ist ein wenig wie mit dem Eisessen – man möchte es jeden Tag tun aber leider geht es nicht immer gut (vorallem auf Dauer) ;)

  2. Ich bewegen mich seit Monaten auf diversen Seiten für Paysex. Der Grund dafür ist ist 50 % Neugier und 50 % Lust auf etwas „anderes“ auf das was ich möchte und Zu Hause nicht bekomme! Es geht hauptsächlich um Dinge, die ich nicht gerne mit meiner Frau ausprobieren möchte. Zunächst ist sie mir auf eine Art und Weise zu rein. Ich kann einfach einige Ding mit Ihr nicht machen, weil ich es mir einfach nicht vorstellen kann. Mit anderen Frauen ist es kein Problem! So seltsam es auch kling, es ist aber so!

    Lügen ist da tatsächlich der einzige Weg …

  3. Ich lerne meine Partner über das Internet kennen. Mit meinem Mann läuft nicht so viel bezüglich Sex. Das brachte Anfangs ein wenig Frust in die Beziehung. Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden mit der wir schon seit mehreren Jahren gut zurecht kommen. Gelegendlich ist ein Seitensprung drin doch es soll bei einem einmaligen Seitensprung mit einem Partner bleiben, damit nicht Beziehungen aufgebaut werden. Ich Liebe mein Mann über alles und wir führen eine glückliche Beziehung,über meine gelegendlichen Seitensprünge reden wir gar nicht mehr.

  4. Ich denke das ist ein weites Feld. Es gibt so viele Ursachen, die häufigste ist aber um einfach Neues sexuell zu erleben und weniger um sich am anderen zu rächen. Die Sexualität ist ja so etwas Großes, man kann mit 40 schon ganz andere Sehnsüchte haben wie noch mit 30, obwohl man ja sagen müsste mit 20 ist man doch schon längst erwachsen. Aber das Leben ist ein ständiger Wandel. Und doch kann es Treue geben, wenn zwei Menschen auf einem sehr hohem Level geistig mental sich verstehen und der Sex eine Vertrautheit und Innigkeit besitzt.

    Alles Liebe Akiu

  5. Fremdgehen kann eine Sucht sein..
    Investiere in eine Real Love Doll und du kannst auch mit deinem Partner
    Zusammen Fremdgehen ..

    Die realistischen Puppen werden immer günstiger und realistischer.
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    Gibt aber sicherlich noch weitere gute Lieferanten

  6. Mal ehrlich – könnt Ihr bei den Kommentaren mal den Link zur Webseite abschalten? Lest doch mal selbst – hier kommentieren überwiegend nur Fakes, die Links zu ihren Seiten platzieren wollen. Ist ja ekelhaft.

  7. Hallo,

    danke für diesen recht turbulenten und leidenschaftlich geschriebenen Beitrag. Mit vielen Argumenten bin ich absolut einverstanden. Für mich ist die bewusste Täuschung eines vertrauten und langjährigen Partners (egal auf welcher Ebene) ebenfalls eine sehr hinterlistige und „niedere“ Tat.

    Andererseits finde ich allerdings, dass die kategorische Verteufelung von sexueller Aktivität außerhalb einer romantischen Beziehung etwas altmodisch wirkt. Für mich sind Treue und Loyalität einem Partner gegenüber weitaus mehr als nur die Exklusivität von sexuellen Dingen. Natürlich sollte eine stabile Beziehung auch ein Standbein aus harmonischer Sexualität haben, aber ich bin der Überzeugung dass für viele Menschen (Männer UND Frauen!) diese Limitierung ihrer Sexualität schädlich oder problematisch sein kann.

    Man sollte sich einfach offener und aufrichtiger über die sexuellen Vorlieben und Triebe unterhalten. Und alle sollten ihrem Partner/ihrer Partnerin möglichst viel Verständnis entgegenbringen!

  8. Meiner Meinung nach führt auch nur die Gier zum Fremdgehen, sonst nichts. Man kann mit seinem Partner auch eine spannende Beziehung führen ohne solche Aktionen…

  9. Hey,
    auch ich kann mich meinem Vorredner ebenfallsnur anschließen!

    Die wichtigsten Punke , Warum man „Fremdgeht“ wurden ja bereits ausführlich beschrieben…Doch ich möchte aus meiner Sicht noch ein paar Punkte beifügen…
    Denn mMn. gehen Menschen oft „FREMD“ da sie selbst Angst davor haben verletzt zu werden. Auch sind sie oft in der Opferrolle und denken, dass der Partner sie nichtmehr liebt & sie uninteressant wären.
    Zudem lässt sich der eine Partner in der Beziehung „gehen“ und wird dadurch leider extrem uninteressant für den Anderen…

    Das Thema „Sexualität“ spielt auch bei Strafprozessen eine grosse Rolle, denn die meisten Straftaten, führen meist auf einen „sexuellen Hintergrund“ zurück.

    Grüsse Eure
    Jutta

  10. Mein Partner und ich gehen mit Sexualität eher so um: Wir haben miteinander aus Liebe zusammen Sex. Doch wir sind uns beide einig das Sex zur Liebe dazu gehört, doch Liebe und Sex auch getrennt werden können. Mich stört es nicht bzw. Ihn stört es nicht, wenn wir ab und zu mal einen anderen Partner im Bett haben. Nur eben dann ohne Liebe oder Gefühle und im beidseitigen Einverständnis. Betrügen gibt es in unserer Welt nicht, weil wir eben drüber gesprochen haben und den Mund aufgemacht haben.

  11. Hallo zusammen,
    ich bin der Ansicht das Ehrlichkeit an oberster Stelle stehen sollte! Egal aus welchen Gründen das betrogen wurde… Für Sexsüchtige gibt es z.B. Therapien, geht man trotzdem Fremd, sollte man unmittelbar nach dem Seitensprung das dem Partner sofort mitteilen. Er bzw. Sie kann dann selber entscheiden ob er bleiben will oder nicht. Tut man es wieder, dann wieder sofort den Partner informieren usw. Oberste Priorität hat die Ehrlichkeit, alles andere ist nicht echt. Wer das anders sieht, ist auch zu sich selber unehrlich und solchen Menschen kann (wen überhaupt) nur ganz schwer geholfen werden…

  12. Puhh wirklich schwieriges Thema. Die Möglichkeiten heute fremd zu gehen sind einfach. In Zeiten von Whatsapp und Co. ist die Kontaktaufnahme und Dirty Talk dicht beieinander… somit auch ein heimliches Treffen. Am Ende muss es jeder selbst entscheiden. Ich finde wer Liebe und Sex trennen kann sollte es tun.

  13. Da werden sich die Geister immer scheiden. Ich bin auch absolut gegen fremdgehen, kenne aber auch Leute aus meinem Freundeskreis, die es regelmäßig tun weil sie nicht anders können.
    Wenn wenigstens beide Partner so eingestellt sind, aber meistens gibt es immer einen der unfassbar stark verletzt wird und das ist nie gut :(
    LG
    Kris

  14. Fremdgehen ist echt nicht geil. Aber wenn der Partner fremdgeht, hat die Beziehung eh schon verloren.
    Weil wenn jemand seinen Partner wirklich über alles liebt, würde er niemals fremdgehen, finde ich!

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