Minderheitskink: natürliche Sexualität

Über den Hygiene-Fimmel der Amerikaner konnten sich Europäer lange belustigen, doch mittlerweile eifert man hierzulande dieser kollektiven Neurose mit aller Kraft nach. Wurden die ersten Intimrasuren noch mit einer Lust an ungewohnter Nacktheit begründet, ist der Kampf gegen die natürliche Behaarung mittlerweile nahezu Mainstream geworden. Und es geht oft nicht mehr um Lust, sondern angeblich um Hygiene (sachlich betrachtet ist das Unsinn!), vor allem aber wohl um das Gefühl, der „angesagten“ Mode zu folgen: in sein, dabei sein – wie immer eben. Die Kosmetikindustrie freut sich und in der U-Bahn hängen Plakate, die „voll finanzierte“ Laser-Enthaarungen anbieten – schöne neue Welt!

Logo der Gruppe natürlicher SexEin wenig gegen den Stachel löckt nun Gerd vom hier schon öfter zitierten Blog PROMISC. Er hat im JoyClub eine „Gruppe“ eröffnet mit dem programmatischen Namen „Natürliche Sexualität“. Im Beschreibungstext heißt es:

Körper und Sex ’natürlich‘ lieben

Die Erotik des natürlichen Körpergeruchs, die betörende Wirkung des natürlichen intimen Geschmacks, die Ästhetik eines vollen weiblichen Schamhaardreiecks, hingebungsvolle Lust auch während der Menstruation, die alle Sinne umfassende Liebe zum weiblichen und männlichen Ejakulat u.v.a.m. – Affinitäten welche es in Zeiten von Deo, Duschen vor + nach dem Sex, Ablehnung von Sperma, Schamlippen-Korrektur, Intimrasur & Co. schwer haben, Akzeptanz und ein passendes Gegenüber zu finden.
Diese Gruppe richtet sich in erster Linie als eine Art Refugium an Menschen, welche sich und das Gegenüber ‚à la Mutter Natur‘ zum Fressen gern haben, darüber unbeschwerter als anderswo reden und sich gegenseitig auch leichter finden wollen.
Aber auch an Menschen, welche sich was diese Themen angeht selbst etwas ‚entspannen‘ und informieren wollen.

Da die Gruppe noch recht neu ist, aber schon fast 50 Teilnehmer/innen hat, finden noch engagierte Diskussionen rund um das kontroverse Thema statt – allerdings tiefer schürfend als die üblichen Schlag-Abtausch-Runden zweier Lager, die einander ihre Glaubenssätze um die Ohren hauen.

3 Gedanken zu „Minderheitskink: natürliche Sexualität“

  1. hihi, wollte ja nicht schon wieder einen Kommentar drunter setzen, sieht so reflexartig aus (was es freilich ja auch mit ist ;-) aber ich plaudere so gerne…) – aber ich mußte spontan an das Buch „Der Tod eines Märchenprinzen“ denken, wo auch dieser „Themenbereich“ mir einprägend vor kam. Freilich vor 28 Jahren.

  2. Ich habe neulich einen Bericht darüber gelesen, wie sehr sich Jugendlich mit dem Thema schon verrückt machen. Viele denken wirklich, man MUSS sich rasieren. Meine Güte womit die sich beschäftigen und was das für einen Stress auslösen muss. Ich glaube aber, dass der Trend bald wieder in eine andere Richtung gehen wird.

  3. Man ist erstaunt, womit sich Jugendliche wirklich alles beschäftigen. Sie sind in höchst komplizierten Systeme eingebunden, in denen sie sich, neben anderen kleinen Sorgen, zurechtfinden und zurecht ordnen müssen. Das macht das Ratschläge geben wahrscheinlich auch so schwer. Was von aussen so „klar“ aussieht, bringt bei denen kompliziertere „Gleichgewichtsversuche“ arg ins trudeln.

    Ich glaube nicht, daß sich am „Entkörperlichen“ etwas bald ändern wird. Es wird eher als „normal“ immer mehr eingebunden, so daß Begriffe wie „müssen“ oder „Zwang“ sogar gar nicht mehr richtig greifen. Man macht es so. Wie viele ja auch nicht über das Achselhaare entfernen nachdenken.

Kommentare sind geschlossen.