Intimrasur: Modediktat, Geschäft, Geschmacksache?

Die ZEIT schreibt über „Schönheit unter der Gürtellinie“, die TAZ zieht nach und berichtet über „Deutschland ganz unten“. Das aktuelle Interesse an der immer mehr um sich greifenden Intimrasur wird durch eine Studie im Auftrag der Uni Leipzig bestätigt, deren Ergebnis sich liest wie der ideale Quartalsabschlussbericht eines Rasierklingenherstellers: Stolze 66,7 Prozent der 14- bis 17-jährigen Frauen mögens „enthaart“, bei den 18- bis 30-jährigen Frauen sind es sogar um die 80 Prozent. Als Hauptgrund für den Griff zur Klinge geben die Befragten „das eigene Schönheitsideal“ an, auf den letzten Platz der Nennungen hat es die Antwort „Vorbilder enthaaren auch“ verschlagen – nur dass das nicht ganz richtig sein dürfte“. (TAZ).

Na klar, wer gibt schon freiwillig zu, sich einem Modediktat zu beugen, das sich der zunehmenden Akzeptanz von Porno-Filmen und der massiven Promotion der Kosmetikindustrie verdankt!  Das Entfernen der Intimbehaarung ist definitiv ein super Geschäft: Klingen, Rasierapparate, spezielle Pre- und Aftershave-Cremes, Heilcremes gegen die häufig entstehenden Haut-Irritationen und Haarwurzelentzündungen.

Mittlerweile wird auch den Männern eingeredet, nur ein enthaarter Mann sei erotisch akzeptabel – und viele glauben das dann auch, was angesichts der früher üblichen Resistenz der Männlichkeit gegenüber kosmetischen Aufhübschungen eigentlich wundert. „Die Intimrasur wird jetzt auch für Männer zum Muss“ titelt die Morgenpost und präsentiert auch gleich ein neues Gerät, mit dem der Mann dem auf einmal nicht mehr angesagten „Dickicht“ zu Leibe rücken soll.

Bei Jugendlichen ist Haarlosigkeit schon Mainstream

Schlimm an der haarlosen Mode ist der psychische Druck, der von ihr ausgeht: viele junge Mädchen trauen sich gar nicht mehr, die Haare wachsen zu lassen und beugen sich schon ab 13 dem zunehmenden Gruppendruck. Die ZEIT schreibt dazu:

»Ein glatt rasierter Unterleib ist bei Jugendlichen längst Mainstream«, stellt der Sexualpädagoge Sven Vöth von pro familia in Hamburg fest. »Wenn ich in meinen Beratungsgesprächen mit Jungs darüber spreche, dass es auch unrasierte Frauen gibt, sagen die: Igitt, das ist ja ekelhaft.« Und in den Mädchengruppen, so erzählt Vöth, bekämen seine Kolleginnen häufig zu hören: »Schamhaare muss man wegmachen.« Dass sich bereits 13-Jährige schämen, unrasiert ins Schwimmbad zu gehen, kann Vöth gut verstehen. »Es gibt in diesem Alter nun einmal kaum etwas Härteres als das Urteil der Gleichaltrigen«, sagt der Sexualpädagoge. »Selbst wenn jemand den Sinn der Intimrasur infrage stellt, dürfte der Gruppendruck praktisch jeden dazu bringen, sich trotzdem zu enthaaren.“

Arme Jugendliche! Bei Erwachsenen könnte man ja immerhin davon ausgehen, dass es bloße Geschmacksache sei, ob man lieber „unten ohne“ auskommen mag. Wenn das SO ist, warum begann der Trend dann aber erst in den 90gern?

Der freie Blick führt zu Schönheitsidealen – und -Operationen!

Neuerdings nehmen als Folge des freien Blicks aufs eigene Genital leider auch die Schönheitsoperationen in diesem Bereich zu:

„Konkrete Zahlen sind bislang selten und episodisch. Das Deutsche Ärzteblatt zitierte unlängst eine Studie, die 1000 Schamlippenstraffungen im Jahr 2005 angab. In den USA geht man von einer Steigerung der kosmetischen Genitaloperationen um jährlich 30 Prozent aus. Beides sind grobe Schätzungen. Dass es allerdings bei vielen Frauen einen Problemdruck gibt, belegte die Befragung »International Vaginal Dialogue«, die belgische, deutsche und italienische Mediziner vor drei Jahren im Fachmagazin Contraception veröffentlichten. 9441 Frauen im Alter zwischen 18 und 44 Jahren aus 13 Ländern wurden dafür interviewt. Von ihnen äußerten 61 Prozent Bedenken bezüglich des Aussehens und 47 Prozent wegen der Größe der eigenen Vagina. Natürlich wendet sich nicht jede dermaßen Verunsicherte tatsächlich an einen plastischen Chirurgen. Dennoch spricht die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) davon, dass sich die Anfragen ebenso wie die Zahl der Genitaloperationen »drastisch erhöht« haben.“ (DIE ZEIT)

Wer übrigens meint, die Rasur sei eine Entwicklung unserer Zeit, irrt. Die Mode hat es schon in Ägypten und im alten Griechenland gegeben. Mehr zur Historie der Intimrasur findet sich im Artikel „Der Urwald zwischen den Beinen“ (.pdf) von profamilia Tübingen – lesenswert!

8 Gedanken zu „Intimrasur: Modediktat, Geschäft, Geschmacksache?“

  1. Ich hörte gerade gestern: „Mit einem Unrasierten schlaf ich nicht! Das ist so unhygienisch.“ Ihre Begleiterin fragt, wie sie denn darauf käme, und erhielt zur Antwort, der Hausarzt habe ihr das „erklärt“. – Mein Ärztin hatte schon vor Jahren eine Broschüre für Mediziner, die die Rasur empfahl. Sie zeigte sie mir als Skurrilität. („Bald ist Glatze chic.“) Auslöser des Trends sind die Nutznießer wohl nicht. Wahrscheinlich kommt das in dekadenten Gesellschaften von selbst.

  2. Alle reden davon als ob das was neues wäre…also ich rasiere mich schon seid Jahren. Als ich in die Pupertät kam fand ich das einfach schöner. Noch bevor ich groß über Sex nachgedacht habe, habe ich da unten rum alles schön weg gemacht.
    Oder bin ich da ein Einzelfall?

  3. Haare „da unten“ sind an sich das Zeichen der Natur für Geschlechtsreife. Für mich ist es deshalb auch ein Ausdruck des gesellschaftlichen Jugendwahns, dass die Mode Richtung Haarlosigkeit geht: alle wollen wohl furchtbar gerne zurück in den Kindergarten…

  4. Ich sehe das ähnlich wie Nina vom Schlafzimmerblog: ein glatter Unterleib hat etwas äußerst Ästetisches. Ich spiele auch gern mal rum, rasiere mir Figuren oder Ähnliches in des Schoß.

    Und wenn Frauen mich auf einen rasierten Schwanz ansprechen, dann kann ich ihre Gründe durchaus nachvollziehen. Die wollen einfach nicht mit den Zähnen im Gestrüpp hängen bleiben oder ständig nach dem lästigen Haar auf ihrer Zunge suchen um es wegzuziehen. Das geht mir ähnlich. Deshalb wissen Frauen bei mir (den allermeisten msus ich das zum Glück nicht erst erzählen), dass sie überall dort geleckt werden, wo ich nicht auf einen Busch treffe.

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