Und hier die nächste wunderbare Geschichte aus dem Kurs “Erotisch Schreiben”. Jan Valta verblüfft gleich mit mehrfachen Irritationen rund um eine geheimnisvolle „Barbie-Puppe für Erwachsene“, die eigentlich gar nicht wahr sein kann – oder doch?
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Dass es leicht ging, zu leicht, hätte ihm eigentlich schon am Anfang auffallen müssen. SIE hatte sich beim Einparken mit ihrem knallroten Spider hoffnungslos festgefahren. Es ging nicht vor und zurück; er versuchte, sie einzuweisen, aber sie war diese blonde, hilflose Frau mit langen Beinen und blickte ihn dankbar an, als er sich schließlich erbot, an ihrer Stelle das Auto in die Lücke zu rangieren.
Sie bestand darauf, sich mit einem Drink zu bedanken und so gingen sie in die Bar seines Hotels, gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite. Sie bestellte zwei Drinks, er revanchierte sich mit einer weiteren Bestellung. Beide merkten den Alkohol. Sie sah umwerfend aus. Kaum ein Mann, der sich nicht nach ihr umgedreht hätte: eine fleischgewordene Barbie-Puppe! Vielleicht war ihr Haar ein wenig zu blond, ihr Ausschnitt ein ganz klein wenig zu tief, die Absätze ihrer Stöckelschuhe (damit hätte er auch nicht autofahren können) eine winzige Idee zu hoch. Sie hieß Michèle und hatte eine erotische, verrauchte Altstimme. An ihren kraftvollen, etwas breiten Händen trug sie kunstvoll manikürte zentimeterlange Krallenfingernägel. Davon einmal ge- und zerkratzt zu werden musste das allerhöchste sein.
Sie redeten, flirteten, tranken und kamen einander rasch näher. Sie war einverstanden, mit ihm aufs Zimmer zu gehen. Im Fahrstuhl schon fielen sie übereinander her. Er küsste sie tief, heftig und leidenschaftlich. Sie pressten sich aneinader. Die Luft knisterte. Viermal fuhren sie nach oben und nach unten, weil sie ihre Begierde nicht unterbrechen und nicht aussteigen mochten. Dann verließen sie den Lift und gingen in sein Zimmer.
Michèle blieb im Türrahmen stehen, steckte sich eine Zigarette in eine lange Spitze und blies langsam den Tabakrauch in Richtung Bandmelder. Dann knöpfte sie im Zeitlupentempo ihre Bluse auf, streifte sie ab und warf sie über die Nachttischlampe. Jetzt war alles in ein schummriges, anrüchiges Rotlicht getaucht.
Sie verschlangen sich wieder ineinander. Er küsste sie mit animalischer Leidenschaft. Er zerwühlte ihr Haar, biss in ihren Nacken, küsste ihr Ohr. Er fühlte ihre Brüste, sie grub ihre Fingernägel in seinen Rücken. Beide atmeten schwer. Die Katastrophe kam dann, als er seine Finger in ihren Schlüpfer schob. Mit einem Male hielt er etwas in der Hand, das er zwar aus eigener Anschauung gut kannte, was aber dort absolut nicht hingehörte; zumindest nicht, wenn man Michèle hieß. Die Erkenntnis, dass er gerade mit einem Mann heißeste Zungenküsse ausgetauscht hatte, traf ihn wie ein Faustschlag in die Magengegend (oder noch etwas tiefer). Sein Bauch krampfte sich zusammen, er sprang auf, fiel fast über seine halb heruntergelassenen Hosen, taumelte ins Bad und übergab sich nachhaltig. Er putzte sich immer und immer wieder die Zähne und spülte den Mund mit Odol aus. Er duschte, so heiß es ging, schrubbte seine Haut. Was sollte er nur machen? Eine Schlägerei anfangen? Die Polizei holen? Es gab nichts, das er tun konnte, ohne alles nur noch schlimmer zu machen.
Schließlich verließ er das Bad. Michael-Michèle lag unter einem Laken auf dem Bett, rauchte, trank Sekt und sah ihn mit einem langen Blick unter seinen Kunstwimpern an. Dann glitt das Laken zu Boden. Er stutzte. Ohne Zweifel war es eine Frau, die hier lag. Neben ihr befand sich einer dieser anschnallbaren Kunst-Penisse, von denen er bislang nicht gewusst hatte, ob es sie wirklich gab oder ob sie nur in dämlichen Porno-Filmchen existieren. Michèle murmelte etwas von „Entschuldigung – du Süßer“, von ihrem großen psychologischen Interesse daran, dass beim Mann Sympathie, Liebe und Begierde wohl ausschließlich durch das Geschlecht des anderen determiniert wäre (sie selbst sei da ganz anders) sowie davon, dass sie dringend eine Inspiration benötigt hätte, eine Inspiration nämlich für einen Internetkurs über das Schreiben von erotischen Texten, für den sie eine Arbeit abliefern müsse. Das aber hörte er schon nicht mehr, die Tür war ins Schloss gefallen; er floh in die Nachtluft. Er konnte nicht verstehen, was die Menschen dazu trieb, in einem lächerlichen Liebesspiel solche Verrenkungen zu machen und auf unappetitliche Weise Körperteile ineinanderzustecken. Davon war er geheilt; gründlich und für immer; oder doch für eine längere Zeit; in dem Fall aber für eine gute Stunde.