Erotic Story: Cyber-Love trifft Real Life

Es ist mir eine Freude, die erste erotische Geschichte aus dem Kurs „Erotisch Schreiben“ hier vorstellen zu dürfen! Peer B., nicht zum ersten Mal unter den schreiblustigen Teilnehmern, hat das spannende „real werden“ einer bis dahin ganz virtuellen Affäre auf sensible und auch überraschende Art in Worte gefaßt – aber lest selbst!

New York, New York

Leoni sehen. Und ausgerechnet in New York. Vom Fluss her drang das Stampfen eines Last-Kahns hoch. Er sass am Schreibtisch, den offenen Laptop vor sich, und dachte nach. Oder besser: er bewegte sich im vagen Raum zwischen Erinnerung, Vorstellung und strategischer Planung. Auf dem Bildschirm war ihre Email, in der sie ihm mitteilte, dass sie in der selben Woche in Manhattan sein würde wie er. Die Mail endete mit: „…und wenn wir uns sehen wollen, dann wird dies vielleicht die einzige Chance sein, die wir kriegen.“

Na ja, es war richtig, beide waren sie fest liiert. Und sie hatten sich schon bald, nachdem sie sich einander intimer geöffnet hatten, darauf geeinigt, dass ihr Austausch nicht darauf gerichtet war, irgendetwas in ihrem Leben zu verändern, die jeweiligen Partner zu verlassen oder eine tatsächliche Affäre mit Geheimhaltung und Lügen anzufangen. Trotz allem war aber natürlich eine Art Doppelleben entstanden. Keiner ihrer Partner wusste von ihrer „Korrespondenz“, die sich ja nicht nur auf den Austausch von Banalitäten beschränkte, sondern sie in eine ganz eigenartige Welt der Erotik geführt hatte.

Würde man einem Dritten erzählen, was teilweise zwischen ihnen ablief, er würde bestimmt denken, sie seien hochgradig pervers. Oder wie sollte man erklären, dass ihre hauptsächliche Kommunikation darauf abzielte, sich gegenseitig genaue Anweisungen zu irgendwelchen erotischen oder sexuellen Handlungen zu geben. Einmal hatte er mitten in einer Sitzung eine SMS bekommen, er solle sofort auf die nächste Toilette gehen, sich zur Wand drehen, sich vorstellen, wie sie mit weit gespreizten Schenkeln vor ihm läge und es sich mit dieser Vorstellung selbst machen. Er hatte es glatt getan. War einfach aufgestanden und auf die Herrentoilette gegangen und hatte, als er nach geraumer Zeit zurück kam, etwas von Magenproblemen gemurmelt. Er seinerseits hatte ihr, als er auf Anfrage erfahren hatte, dass sie einen Rock trug, die Anweisung gegeben, die nächsten Stunden ohne Slip zu verbringen. Sie hatte ihn in der Umkleidekabine eines Kaufhauses in ihre Handtasche gestopft und ihren Einkaufsbummel dann fortgesetzt. Es war verrückt, aber beide liebten sie diese Spiele.

Später, als sie sich eingestanden hatten, dass sie von Bondage Fantasien erregt wurden, gerieten die Spiele noch bizarrer. Als Lisa mal über’s Wochenende zu ihrer Schwester fuhr, hatte sie ihm befohlen, vor dem Einschlafen seine Füsse zusammenzubinden und so die Nacht zu verbringen. Und sie wollte ein Foto am nächsten Morgen von den Spuren der Fesseln sehen. Natürlich nur ein Bild, das nichts anderes zeigte, denn sie hatten noch nie Fotos von sich ausgetauscht. Leoni’s Aussehen war gänzlich seine Vorstellung und umgekehrt.

Würde Lisa die gesammten Mails und SMS der vergangenen Monate lesen, es hätte vermutlich weitaus schlimmere Folgen, als ihr einen one night Seitensprung einzugestehen. Und doch war ja eigentlich nichts passiert. Es war alles nur virtuell, Träume, wenn man so wollte. Und wer träumte nicht? Lisa doch sicher auch. Würde die so etwas…? Er konnte es sich nicht vorstellen.

Er wollte Leoni treffen. Aber nicht einfach so, irgenwie müsste da noch ein Kick dabei sein. Und auf jeden Fall wollte er nicht, dass ihre virtuelle Beziehung durch ein schief gelaufenes Treffen beendet würde.

Er schrieb: „Liebe Leoni, natürlich möchte auch ich Dich gerne sehen. Dennoch habe ich Angst davor und, dass unsere Beziehung, die mir sehr viel bedeutet, dadurch Schaden erleiden könnte. Mein Vorschlag: am Mittwoch, an dem wir beide frei haben, treffen wir uns genau zwischen 10:30 Uhr und 10:45 Uhr im Museum of Modern Arts vor dem Gemälde von Roy Lichtenstein: ‚I would rather sink than call Brad for help‘. Kennst Du es? Sonst frage einfach das Personal. Es werden viele Leute rumgehen und die Kunst wird sein, dass wir uns finden. Wenn nicht, bleiben wir virtuell wie bisher. Um sicher zu gehen, dass das ganze nicht durch alberne Verspätungen platzt, versuchen wir es notfalls noch einmal eine Stunde später. Ein Spiel für Dich und mich? Love, Tim“

Die Antwort, wenige Minuten später: „Ok. So machen wir das. No risk, no fun! Küsse Dich, Leoni“. Sie schaltete den Computer aus, ordnete die Papiere auf ihrem Schreibtisch und verliess ihr Büro. Alle anderen waren schon weg und sie musste sich auch eilen, weil sie nachher ins Kino wollten. Sie hatte sich mit Marion und ihrem neuen Lover im Art Cafe verabredet, Gerd wollte auch dazu kommen. Der Verkehr war weniger dicht als erwartet und als sie im Cafe eintraf, war noch niemand da. Sie bestellte sich ein Glas Prosecco.

Sie kannte das Bild von Roy Lichtenstein. Eines seiner Comic Paintings. Wie Tim wohl gerade darauf kam? Eigentlich komisch, dass man die sexuellen Vorlieben eines Menschen besser kannte, als seinen Kunstgeschmack. Bei Gerd war es genau umgekehrt. Sie wusste, dass er französische Impressionisten liebte, aber seine sexuellen Kicks konnte sie, wenn sie ehrlich war, nur erahnen, er war da sehr verschlossen und reagierte auf diesbezügliche Fragen ablehnend. So viele Jahre waren sie jetzt schon zusammen. Sex war nie das dominante Thema in ihrer Beziehung gewesen. Natürlich hatten sie am Anfang häufiger als jetzt miteinander geschlafen. Gerd war ein zärtlicher Liebhaber und konnte durchaus verwöhnen. Aber irgendwie nahm es mehr und mehr ab. Beide arbeiteten sie viel und dann war der eine nicht in Stimmung, dann der andere gerade nicht und sie verbrachten viel Zeit mit Freunden, hatten ein reges Interesse an Kultur, gingen in Ausstellungen, Opern, Konzerte oder wie heute, ins Kino. Ansonsten reisten sie viel, getrennt beruflich, und im Urlaub zusammen. Und sie kochten gerne gemeinsam. Ihr Zusammenleben war harmonisch und von gleichen Interessen getragen. Beide hatten sie eine Ehe hinter sich und vermutlich deshalb keine große Lust mehr auf dauernde Auseinandersetzungen.

Und dann gab es eben Tim. Von dem Gerd natürlich nichts wusste, aber wozu auch. Den gab es ja nicht wirklich. Oder doch? Lebte sie mit Tim aus, was ihr fehlte? War er komplementär zu Gerd? Ergaben beide zusammen ein erfülltes Beziehungsleben? Ein reales und ein virtuelles als Idealkombination? War es vielleicht so, dass ein Partner gar nicht alles abdecken konnte und dass es da ganz vernünftig war, gleichzeitig mit einem „Traumpartner“ zu leben? Man muss seine Träume verwirklichen! Das waren die Worte von ihrem Ex. Aber als er dann seine Träume mit anderen Frauen auslebte, war es das Ende ihrer Beziehung gewesen.

Richtig erklären konnte sie sich das mit Tim auch nicht. Wo da genau der Reiz lag. Aber es gefiel ihr, sich von ihm intime Anweisungen geben zu lassen und sie mochte es auch, ihm welche zu geben. Und es war alles so einfach und zwanglos. Ohne Peinlichkeiten und ohne schlechtes Gewissen danach. Man tat es einfach und tauschte sich hinterher darüber aus, wie es war. Man machte reale Erfahrungen in einem virtuellen Zusammenhang. Vermutlich konnte man das Dritten nicht verständlich nahe bringen. Als sie mal Marion gegenüber ein paar Andeutungen über die Spiele mit Tim machte, da hatte die ganz komisch reagiert. Sie hatte ihr erzählt, wie sie ihm den Slip schickte, mit dem sie es sich in der Vorstellung gemacht hatte, er stünde vor ihr und sähe zu. Und dass sie nie ein Foto ausgetauscht hätten, fand Marion „pervers“. Virtuelle Beziehungen waren wohl nicht ihr Ding.

Und jetzt New York. Das mit dem Erkennungsspiel war typisch Tim. Aber es war genial, Dinge im Ungewissen oder in der Schwebe zu halten, das erhöhte die Spannung, erzeugte so ein Prickeln. Sie hatte schon mal überlegt, die Korrespondenz mit Tim einfach aufzuhören, weil es doch sowieso nichts brachte. Aber dann hatte ihr ganz bald der Kick gefehlt. Man gewöhnte sich doch schnell an diese uneingeschränkte Offenheit. Niemals könnte sie mit Gerd darüber sprechen, dass sie der Gedanke, gefesselt zu sein, erregte. Nichts würde daraufhin in ihrer Beziehung so sein wie vorher. Wie ein Klotz stünde das Geständnis zwischen ihnen. Und die Vorstellung, Gerd würde sie aus Gefälligkeit fesseln, nur um auf ihre Wünsche einzugehen, war geradezu absurd und hatte nichts Erotisches. Es wäre entweder völlig lächerlich oder abgrundtief peinlich.

Aber mit Tim im New Yorker Hotelzimmer zu sein, und von ihm ans Bett gefesselt zu werden, das war auch eine Vorstellung, die sie eher schreckte als erregte. Sie kannte ihn doch gar nicht und einfach so auf Kommando…

Auszüge aus der ersten Email von Tim an Leoni nach New York:

…erstmal habe ich dich deshalb erkannt, weil du auch so verstohlen die Leute und nicht die Bilder betrachtet hast. Ich gebe es zu, ich hatte vorher schon eine Frau angesprochen, die hatte aber nur suchend nach ihrem Begleiter Ausschau gehalten. Sie hat jedoch sehr freundlich meine Frage, ob sie zufällig aus Berlin komme, verneint. Und einen Treffer auf’s zweitemal finde ich auch schon ganz gut und bin stolz darauf, wir hätten uns ja auch gar nicht treffen können!…mein Herz erwärmte sich, als du mir im Central Park sagtest, du könntest das nicht, so einfach in einem Hotelzimmer sein und irgendwie zu versuchen, unsere Fantasien auszuleben. Merkwürdig, was, dass man sich mit dem anderen spontan verbunden fühlt, obwohl der einem gerade sagt, dass er die Nacht nicht zusammen verbringen will…und als ich dann spät nachts in meinem Zimmer lag und deine SMS kam: „Schlaf gut. Ich finde dich toll!“, da kriegte ich schon Sehnsucht…

Auszüge aus Leoni’s Antwort:

…du kannst es mir glauben oder nicht, als ich dich sah, war ich mir auf Anhieb sicher, dass du derjenige bist. Ich wollte nur wissen, ob und wie du mich ansprichst. Und falls du es nicht getan hättest: ich hatte vor, dir solange zu folgen, bis du auf mich aufmerksam würdest…ich hätte dich drücken können, als du mir sagtest, ich kann mir eine gemeinsame Nacht auch nicht so gut vorstellen ‚…aber New York hat doch so viel zu bieten und ich möchte einfach nur mit dir zusammen sein!’…und ehrlich, als ich dann ganz alleine in meinem riesigen Bett lag, da hätte ich doch ganz gerne einfach deine Wärme gespürt…so, und damit du dich an unseren Sex Shop in Greenwich Village erinnerst, wirst du jetzt den Penisring, den ich dir schenkte, überstreifen und an mich denken OHNE dich anzufassen! Love, Leoni

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