Chili con Carne – Erotische Quickies

So viel MEHR als „das Eine“

Chili con carneGut zwei Stunden hat es nur gedauert, dann war ich mit den 25 „erotischen Quickies“ durch, die die Autoren Polly Äthylen und Peer Rouge in dem kleinen Bändchen Chili con Carne der Welt zum prickelnden Genuss überreichen. Als ich auf der letzten Seite angekommen war fühlte ich ein Bedauern, als müsste ich ein wunderschönes Fest vorzeitig verlassen: grade dann, wenn es am Schönsten ist!

Ja, es geht in allen Geschichten um Erotik, oft genug um handfesten Sex. Die Dinge werden beim Namen genannt und ihre Protagonisten kommen oft recht schnell zur Sache. Und doch sind diese Stories anders als die meisten der tonnenweise im Netz zu findenden „Anregungstexte“:  sie katapultieren den Leser in eine Anderwelt, die nicht geografisch oder zeitlich zu fassen ist, sondern hinter jedem Alltag verborgen liegt: zugänglich für jene, die es verstehen, sich der immensen Kraft des Erotischen zu öffnen.

Nutze den Augenblick!

„Don’t dream it, do it“ heißt eine der kurzen Geschichten, in der die Begegnung eines schon 17 Jahre verheirateten Mannes mit Klara geschildert wird. Er lernt sie in einer Kantine kennen, als sie beide nach dem letzten Schälchen Dessert greifen wollen.  Der Leser erfährt von dem, was dann geschah, durch die Erinnerungen des Mannes, als er – wie jeden Sonntag morgen – im Ehebett bemerkt, dass er nicht mehr im Stande ist, mit seiner Frau den „ganz normalen Ehe-Sex“ zu vollziehen.

Oder die Begegnung im Zug, die „Ungeheure Schwere der Realität“. Man nimmt Teil an den Gedanken zweier Reisender, die einander vorsichtig abchecken: Was will er von ihr? Will SIE etwas von ihm? Befürchtungen, Erwartungen, Vorgriffe auf Enttäuschungen – werden sie es schaffen, ihre jeweilige Blase der Wahrnehmung zu durchbrechen und sich zu verabreden?

Wundervoll auch die Geschichte einer Nacht in Rom, in der ein ganz normaler, heterosexueller Mann der Faszination erliegt, ganz unverhofft von einem anderen Mann umworben zu werden. Ricardo lässt ihn fühlen „wie eine Frau“: bewundert und begehrt – und als wäre gar nichts dabei, nehmen die Dinge ihren Lauf.

Vielgestaltig sind nicht nur die Begegnungen, sondern auch die Varianten erotischen Fühlens, die das Buch in einem bunten Kaleidoskop vor uns ausbreitet:  Da machen sich mehrere Frauen vorgerückten Alters bei Gelegenheit eines Kaffeekränzchens über einen Mann her, der sich plötzlich als gefesseltes Opfer vorfindet: ausgeliefert allen „bösen Schandtaten“, die da kommen mögen. In „Vera“ verirrt sich ein Getränke-Lieferant ins „Folterzimmer“ einer Domina und wird für einen Kunden gehalten. In anderen Geschichten ist es eine Waschmaschine, ein andermal ein Staubsauger, die zum leider recht gefährlichen Objekt der Begierde bzw. zum Partner für glückliche Momente werden.

Sex und Erotik „im aufrechten Gang“

Es sind allerdings nicht die Ereignisse, Begegnung und sexuellen Aktivitäten selbst, die den Reiz der Geschichten in „Chili con Carne“ ausmachen.  Anders als sonst beim Lesen vieler „Erotic Storys“ haben die Texte eine besondere Nachwirkung: man fühlt sich nicht wie „abgestiegen“ ins Janus-köpfige, oft schmuddlige Reich der Triebhaftigkeiten, sondern im Gegenteil irgendwie „erhoben“.  Da können die letzten Verrücktheiten passieren, doch es ist niemals peinlich, innerlich an „so etwas“ Anteil zu nehmen.

Was Peer und Polly uns in diesem Buch bieten, ist Sex und Erotik „im aufrechten Gang“. Es sind immer GANZE MENSCHEN, die all das erleben. Menschen mit uns allen vertrauten Gefühlen, Bedenken, Ängsten und Träumen, Menschen, die es aber für Momente schaffen, aus der „Schwere des Alltags“ heraus zu treten und Wagnisse einzugehen. Wagnisse, die zur Lust, zum Glück, und auch mal in die Katastrophe führen, doch jedes einzelne Erlebnis in den Geschichten fordert dazu auf, die Chancen des Augenblicks zu erkennen und zu ergreifen: don’t dream it, do it!

Polly und Peer

Polly und Peer sind getrennt durch mehr als 10.000 km, sechs Zeitzonen und dreizehn Flugstunden. Sie lernten sich im Kurs „Erotisch schreiben“ kennen und trugen wesentlich dazu bei, dass dieser Kurs (und mancher folgende) zur Sternstunde erotischen Austauschs wurde. Ungezählte E-Mails und Texte folgten, öffentlich und ganz privat – jemand, der es von außen mitbekommt, kommt unschwer auf die Idee: Chili con Carne
ist die Manifestation einer „Liebe in die Ferne“, die manchmal größere Nähe spüren lässt als 17 Jahre Ehe im gemeinsamen Reihenhaus mit Garten.

Das kleine Buch eignet sich übrigens sehr gut als Geschenk – insbesondere für alle, deren Erotik ein wenig eingeschlafen ist. Und auch Menschen, die sonst kaum Bücher lesen, werden mit den kurzen, an keiner Stelle langweiligen Geschichten gewiss nicht überfordert. Im Gegenteil, das Buch macht Lust auf MEHR – nicht nur in einer Hinsicht!

3 Gedanken zu „Chili con Carne – Erotische Quickies“

  1. Nicht nur das Buch macht vermutlich Lust auf mehr, sondern auch Dein sehr schöner Beitrag hier. Ich musste jetzt schon schmunzeln und werde mir das Buch ziemlich sicher besorgen.
    Danke :-)

  2. Liebe Claudia,

    dass du die Geschichten von Peer und mir so genossen hast, freut mich sehr.
    Herzlichen Dank für die tolle, ausführliche Rezension.
    Ich kann nur in aller mir zur Verfügung stehenden Bescheidenheit sagen: Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen! ;-)
    Liebe Grüße
    Polly

  3. Sehr interessantes Artikel und Buch, werde unter anderem das wohl meiner Freundin unter den Weihnachtsbaum legen.

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