Sexualität und Erotik im Tanz

Tanzjournal 4Was es nicht alles für Magazine gibt! Eigentlich interessiere ich mich nicht besonders für Tanz: Mir schwirren dabei Bilder von Schwanensee-Nymphen in reizenden „Tütüs“ durch den Kopf – eine Kindheitsaltlast aus Zeiten, wo ich gezwungen war, das TV-Programm der Erwachsenen zu ertragen. (So ein Kleidchen hätte mir damals immerhin gut gefallen!).

Gute Bilder, spannende Texte

Nun blättere ich im neuen Tanz-Journal mit dem interessanten Schwerpunkt „Sexualität und Erotik“ und bin angenehm überrascht – sowohl von den Themen als auch von der ästhetischen Aufmachung des Heftes mit vielen beeindruckenden Bildern. Nix „Tütü“, sondern ausdrucksstarke Körper in erstaunlichen Haltungen und Szenen, dazu Texte, in die man sich mit Gewinn versenken kann.

TänzerinWie werden Sexualität und Erotik im Tanz dargestellt? Melanie Suchy gibt unter dem Titel „Tanz als Vorspiel“ einen Überblick. Im Beitrag „Geile Engel“ wendet Norbert Servos den Blick zurück auf die sexuelle Revolution und ihren Einfluss auf das Tanztheater. Klaus Kieser und Stina Pollmann befragen Felix Ruckert nach den Gemeinsamkeiten von BDSM und Tanz („Raum und Zeit werden neu gestaltet“). Schlussendlich widmet sich Michaela Schlagenwerth der kunstvollen Entblätterung und untersucht den Striptease zwischen Kunst und Kommerz in „Verzögern, andeuten, und fast alles zeigen“.

Diese von mir heraus gehobenen Artikel sind aber lange nicht alles, was das Heft zu bieten hat. Man sehe sich das Inhaltsverzeichnis an: Freunde und Neulinge in Sachen moderner Tanz bekommen eine Menge geboten! Das Tanz-Journal erscheint alle zwei Monate und kostet im Abo 42 Euro pro Jahr. Wer mag, kann ein kostenloses Probeheft bestellen.

Beautiful Agony: Zusehen beim Orgasmus?

Die Website Beautiful Agony versammelt kurze Videos von Einsendern, die sich selbst beim Orgasmus filmten oder sich vom Partner filmen ließen. Man sieht nicht, was all die lustvoll Aktiven TUN, sondern erblickt ausschließlich das Gesicht, das sich mehr und mehr zu Grimassen der Lust verzerrt.

Beautiful Agony Website„Sexy as hell“ finden das die Betreiber, die mit der Site auch eine Menge Schotter machen: US$19.95 kostet das 30-Tage-Ticket, das den Blick auf ein großes Archiv mit vielen Orgiastiker/innen frei gibt. Auch die Film-Einsteller/innen bekommen vom Segen etwas ab: genug, um ein neues Handy bzw. ein paar Schuhe zu kaufen, wie es im Kapitel „submit“ wolkig heißt. Man möge es aber nicht des schnöden Mammons wegen tun, sondern „do it because you want to show the world“.

Nun gut, Exhibitionismus ist auch nur eine Neigung unter vielen – warum also nicht? Ich frage mich allerdings, ob sich die Gefilmten überlegt haben, wie es ist, wenn künftige Chefs und Kollegen die intimen Filmchen in der Mittagspause anschauen?? Oder wie es ein „Partner in spe“ wohl findet, mit dem man gerade auf die gemeinsame Praxis zusteuert?

Einige der Filme sind „Free Samples“, von denen ich drei Beispiele angesehen habe. Aufgefallen ist mir die Gleichförmigkeit: wie ÄHNLICH die Laute, Gesichtsausdrücke und Blicke einander doch sind! Und: ich mag nicht mehr davon sehen – ein seltsam verstörendes Gefühl geht mit dem Betrachten der intimen Momente einher. SO will ich fremde Menschen einfach nicht sehen, mit denen ich keine Intimität teile. Es raubt ihnen das „Geheimnis“, das – wie ich beim Anschauen erst bemerke – zum Motivationshintergrund meines eigenen erotischen Verlangens gehört. Ich erlebe die Filme als Banalisierung erotischer Momente, die ich allerhöchstens den Partner sehen lassen will – und auch da macht es einen brisanten Unterschied, ob man sich ins Gesicht sieht oder nur „ineinander verschlungen“ jeder die eigene Lust erlebt.

Intimität – so schön, so leicht, so schwer

TANTRA-Special: IntimitaetConnection ist ein Magazin, ein Verlag, ein Projekt, ein Experiment, eine Never-Ending-Story, die es eigentlich verdient hätte, sehr viel bekannter zu sein als sie es ist. Das liegt vermutlich an der Verwurzelung in der „Spiri-Szene“, an der zwar jede Menge Leute in irgend einer Form Anteil nehmen, sich aber vorsichtigerweise nicht dazu bekennen. Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten – und keiner weiß ja so genau, wo im großen bunten Blumenstrauss der Lebenskünste und Heilslehren das Licht aufhört und der Schatten beginnt.

In Sachen EROTIK ist das allerdings nicht schwierig: im westlichen Neo-TANTRA, von dem viele Connection-Magazine und Specials handeln, geht es vor allem darum, unsere Lust aus der Schmuddelecke zu befreien und andrerseits die oft leidvollen Verstrickungen bewusst zu machen, die uns Sex im Rahmen einer Liebesbeziehung oft genug beschert. Das neue TANTRA-Special „Intimität“ ist uneingeschränkt empfehlenswert, auch wenn man selber nicht drauf und dran ist, ritualisierten Geschlechtsverkehr in der Gruppe praktizieren zu wollen. Die Problematik von Verschmelzungssehnsüchten bei gleichzeitiger Angst vor Nähe schwingt zum Beispiel bei fast jedem Liebespaar mit: dazu bringt das Heft ganz wundervoll tief schürfende Artikel, wie etwa „Emotional verschmolzen – und trotzdem ich selbst“ von Heinz Körner, oder „Ich liebe dich – aber komm mir nicht zu nah“ von Lucian Loosen.

Dankenswerterweise stehen diese Beiträge im Volltext zur Verfügung, doch ganz besonders gut gefallen haben mir auch „Mutig intim sein – sich verletzlich zeigen“ von Saleem Matthias Riek, „Vorgetäuschte Orgasmen und andere Versteckspiele“ (Regina Heckert), und natürlich die erotischen Szenen und Geschichten, wie etwa „Der Voyeur und die Lust sich zu zeigen“, in dem Christian Mey erzählt, was aus einer Begegnung im Chatroom folgen kann. In seiner Männerfantasie, hab ich mir schmunzelnd gedacht, aber wer weiß, wenn Mann mal das Glück hat, eine absolut neue Einsteigerin in diesem Medium zu erwischen, kann vielleicht geschehen, was hier ohne Frage sehr erotisch beschrieben ist.

Warum Menschen Sex haben

Auf diese vermeintlich wichtige Frage haben „US-Psychologen“ nun 237 Antworten gefunden, wie man im SPIEGEL-Online nachlesen kann. Übersichtlich aufgelistet finden sich die Top-25 Gründe für den Geschlechtsverkehr von Männern und Frauen.

Die Ergebnisse hauen mich nicht gerade vom Hocker: „Zu den 50 häufigsten Gründen für Sex gehören demnach „Ich wollte meine Liebe zeigen“ (Frauen/Rang 5), „Ich war scharf“ (Männer/Frauen je 7), „Ich wollte einen Geburtstag oder besonderen Anlass feiern“ (Männer/41), „Ich wollte meine sexuellen Fertigkeiten verbessern“ (Frauen/45), „Ich wollte neue Techniken und Positionen probieren“ (Männer/32), „Meine Hormone waren außer Kontrolle“ (Männer/33), „Ich war betrunken“ (Frauen/49), „Die Person war intelligent“ (Männer/48), „Die Gelegenheit ergab sich“ (Männer/29).“

Ich frage mich, welches Forschungsinteresse der Umfrage eigentlich zugrunde lag. Bringt diese Zusammenstellung banaler und weniger banaler „Begründungen für Sex“ irgend jemandem irgend etwas? Und: Kann man überhaupt annehmen, dass die Befragten die Wahrheit sagen? Ist es nicht oft so, dass der Verstand sich zwar eine „sinnvolle Begründung“ im Nachhinein überlegt, die Entscheidung selbst aber auf einer anderen Ebene längst getroffen wurde?

Braucht es überhaupt eine Begründung, um Sex zu haben? Ist es nicht eher so, dass wir grundsätzlich Sex haben wollen, genau wie wir selbstverständlich essen und trinken wollen? Dass es oft NICHT passiert, hat gute und schlechte Gründen, nicht DASS es passiert!